Studioarbeit

Gespeichert von mieschka am Mo., 22.09.2003 - 23:58

Studioarbeit: Warten.

Als nicht-Musiker stellt man sich die Studioarbeit irgendwie ziemlich cool vor. Ist sie aber nicht. Ich hätte nie gedacht, das ich so was mal sagen würde, aber: Werdet bloß Schlagzeuger!

Denn das Schema ist kurz gesagt folgendermaßen. Zuerst spielt der Schlagzeuger alleine seine ganze Scheiße ein und ist dann komplett fertig mit der Arbeit. Die anderen warten in der Zeit. Dann kommt der Bassist, spielt seinen Scheiß zum Schlagzeug ein. Die anderen warten derweil. Dann Gitarre eins, dann Nummero zwo, dann Gesänge. Alles immer einzeln und schön der Reihe nach, während die anderen ...

w a r t e n.

Gut. Wir kleinen CHEFDENKER gehen also ins Studio in Bottrop, da wo von wegen Warner Bros. Movie Park und so. Der Park ist natürlich viel zu weit vom Studio weg, und außerdem ist der eh Scheiße. Na ja, es geht ja auch ums arbeiten und nicht ums Vergnügen.

Gut. Tag 1

Wir kommen pünktlich an, der Kaffee brutzelt schon, wir kriegen den Aufenthaltsraum gezeigt. Alles klar. Kurz unseren ganzen Kram runterschleppen, und dann kommt des Musikers Lieblingsbeschäftigung: WARTEN.

Die Sonne scheint, also auf Bewerten in der Stadt. Wir stiefeln also quietschvergnügt los Richtung Bottrop-Fußgängerzone. Bottrop besteht aus ein paar Straßen mit allerhand lustigen, kleinen Geschäften und ungefähr zwanzig (!) Spielhöllen. Man könnt ja meinen, in so einer Vorstadt ist was los. Aber Pustekuchen. Während wir die Straßen auf und ab marschieren passiert – nichts. Wie ausgestorben. Fehlt eigentlich nur noch der obligatorische Dornenbusch aus Westernfilmen, der vom Wind über die Straße geweht wird.

Na gut, auf zurück ins Studio. Mal hören was der Matze so treibt. Matze macht Schlagzeugerpimmeleien. Hier was lauter, da mehr Bass, was weiß denn ich. Mal kurz dazusetzen, bisschen klugscheißen, paar Kekse fressen, schon wird es was langweilig. Außerdem hat der Mischer eine Engelsgeduld, ich würde jetzt schon unkontrolliert rumbrüllen. Egal. Hm, noch nicht mal Mittag, was tun? Wie wartet man jetzt am coolsten? Saufen wäre jetzt richtig Metal, aber kann ja sein das man für irgendwas mal gebraucht wird. Sei es zum reinhören in die Aufnahme, sei es für Fragen bezüglich der Stücke oder sonst was. Kaffee kochen. Scheiße, saufen fällt also weg.

Ah, jetzt eine schöne, gesunde Pizza. Gesagt, getan. Super, schon wieder zwanzig Minuten rumgekriegt. Wieder zurück in den Aufenthaltsraum. Meine Fresse, macht das Rockstarleben einmal Spaß. Erst mal gucken, was zufällig für CDs am Start sind. Geringe Auswahl, aber zum Glück DANKO JONES. Volle Lautstärke. So lässt es sich leben. Disco und ich starren beim zuhören gemeinsam Löcher in die Luft, während er konsequent die Bude zuqualmt. Dabei freuen wir uns über jede kleine Abwechslung, zum Beispiel über den gemeinsamen Bierschiss und das dadurch entstehende, neue Aroma, welches das Ambiente im vermockten Raum noch unterstreicht.

Rubbel die Katz: Mittag. Essen. Schwere Entscheidung: Hmm, Pizza. Alles klar, satt, zurück. Matze ans Schlagzeug, wir in den Aufenthaltsraum. Oh, lange nicht hier gewesen. Gut. DANKO JONES, aufdrehen. Blähen. Rauchen, Disco aktiv, ich passiv. Dabei essen in sich reinschieben. Löcher in die Luft starren. Tüdlüü...

Jetzt ist genug. Bewerten. Diesmal auf zur Fußgängerzone. Das gleiche Bild, ein Abziehbild von Morsbach. Nix los. Geil. Bei der Gelegenheit mal was essen. Und zurück in unseren Aufenthaltsraum. Wäre es nicht so komisch würde ich heulen. DANKO JONES, blähen usw.

Mittlerweile halten wir das auch schon zwei Stunden am Stück aus. Immer mal wieder kurz runter in den Aufnahmeraum, zwei schlaue Sätze abdrücken, hoch gehen und warten.

Ich entschließe mich in die Videothek zu gehen und zu gucken, wie denn so die Pornoabteilung sortiert ist. Oh, das lobe ich mir, alles dabei, nach Sparten geordnet, große Auswahl. Wie sich das für Pornoecken im Dorf gehört, versuchen die braven Familienpapis sich nicht dabei erwischen zu lassen, wie sie hastig durch die Tür huschen wo „ab 18“ draufsteht. Außerdem haben die da sogar den Porno den SNOOP gedreht hat, sehr artig.

Den Sex-Shop hebe ich mir für morgen auf, wir sind ja schließlich insgesamt vier Tage am Stück hier.

Zurück, Warteraum, DANKO, furzen, fressen. Männerwelt. Nach insgesamt neun Stunden warten ab nach Hause, ein bis zwei kleine Bierchen trinken.

Tag 2

Uppala, ein bis zwei Bierchen zu viel. Auf nach Bottrop Gott-City. Immer noch Schlagzeug-Aufnahmen. Essen, Bierschiss, DANKO JONES, Stadtbummel, kurz im Aufnahmeraum wichtig tun, Mittagessen, warten.

Besuch im Sexshop. Das Highlight des Tages. Am Eingang ein typischer sechzigjähriger Kettenraucher mit Faltengesicht. Der Laden klein, gammlig, stinkend, Pornokinobesuch fünf Euro und zehn Cent. Na, das nenne ich eine ausgewogene Preispolitik. Ich war aber zu feige mir in dem ausgesprochen angenehmen Umfeld einen runterzuholen. Außerdem spielt man ja auch bekanntlich besser Fußball wenn man unter Druck steht. Mit der Gitarre ist das bestimmt genau so. Dafür habe ich mir mal was ganz neues gegönnt: Pizza und Kaffee.

Also essen, DANKO JONES, usw. Mittlerweile können wir schon mitsingen. Bottrop-Bummel, gähn. Gegen Abend stehen die Schlagzeug-Spuren. Und jetzt kommt der Grund, warum es Schlagzeuger am besten haben. Ab jetzt ist die Arbeit getan, und man kann saufen bis es kracht. Na gut, dann darf man natürlich nicht mehr klugscheißen gehen im Aufnahmeraum, aber das kümmert dann auch nicht mehr. Disco macht gerade mal in 150 Minuten die kompletten Bassspuren klar und ab nach Hause.

Ah, Bier. Lecker.


Vorerst vorletzter Tag.

Claus fängt mit seiner Gitarre an. Was macht man als anderer Gitarrist? Na, rate? Rate? Naaa…? Genau. Warten.

Stöhn. DANKO JONES aufreißen, Pizza fressen, Kaffee saufen, Bierschiss begackern, Bude zuqualmen, öde Spaziergänge. Tittenmagazine und Bravo kaufen. Manchmal runtergehen, Claus beim rumschreien zuhören. Tag zu Ende.

Zu Hause kurz noch ein bis zwei Bierchen. Sportstudentinnen sind übrigens immer Einstellig.


Vorerst letzter Tag

Ankommen, DANKO usw. Gegen Abend wird Claus dann auch schon fertig, und ich spiele in zehn Minuten zwei Songs ein, Feierabend.

Vierzig Stunden warten für drei Tönchen. Geht doch noch.

Nächste Woche sind wir Freitag bis Sonntag noch die letzten drei Tage im Studio, dann ist Ende. Am liebsten wäre mir, ich müsste gar nicht einspielen, sondern dürfte nur warten. Das kann ich nämlich jetzt wie kein zweiter. Prost.

The Kollege